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Ritterkreuzträger Hans-Georg Borck

Bastian Brücker • Apr. 04, 2021

Ein Ritterkreuzträger mit 4 Panzervernichtungsabzeichen

Mein Dank gilt dem Sammlerkollegen der es mir ermöglicht hat, diesen schönen geschlossenen Nachlass präsentieren zu können. Wie so oft zeigt es sich, dass man in diesem Hobby nur gemeinsam erfolgreich ist. Daher mein Dank an alle die geholfen haben weitere Informationen über den Ritterkreuzträger Hans-Georg Borck zu sammeln und auch bei der Erstellung dieses Blog Artikels mitgewirkt haben.

Hans-Georg Borck wurde geboren am 24.09.1921 in Hagen, Westfalen und wurde direkt nach seinem Abitur am 25.10.1940 Soldat. Seine Stammeinheit war die 3. Kompanie im Pionier-Ersatz-Bataillon 3 in Brandenburg bei der er auch seine Grundausbildung absolvierte.

Bereits am 01.11.1940 wurde er als Fahnenjunker zum Ausbildungslehrgang nach Stettin-Podejuch versetzt.

Nach bestandenen Abschluss des Lehrgangs wurde er am 23.04.1941 wieder zu seiner alten Einheit dem Pionier-Ersatz-Bataillon 3 versetzt. Eine Woche später erfolgte die Versetzung zur 3. Kompanie des Panzer Pionier Bataillon 79 bei der er auch mit Wirkung zum 01.06.1941 vom Fahnenjunker-Pionier zum Gefreiten und am 01.08.1941 bereits zum Unteroffizier befördert wurde. Auf der Urkunde zum Eisernen Kreuz 2. Klasse ist noch Fahnenjunker-Pionier vermerkt.

Das Panzer Pionier Bataillon 79 kämpfte zu diesem Zeitpunkt als Teil der 4. Panzerdivision in Mittelrussland. Unterzeichnet ist die Urkunde vom späteren Eichenlaubträger Freiherr von Langermann und Erlencamp.

Es folgte die Versetzung zum Pionier-Ersatz-Bataillon 17 nach Würzburg und von da aus die Abkommandierung zum
8. Offiziers-Anwärter-Lehrgang an die Pionier Schule in Dessau-Rosslau. Während des Lehrgangs wurde er mit Wirkung vom 01.02.1942 zum Leutnant befördert. Nach Abschluss des Lehrgangs im Februar 1942 ging er als frischgebackener Leutnant zum Panzer Pionier Bataillon 5 nach Ulm. Dort verrichtete er bis zum 08.05.1942 seinen Dienst, ehe er ab dem 09.05.1942 zum Panzer Pionier Bataillon 209 versetzt wurde und dortals Zugführer eingesetzt wurde.

 

 Interessant ist, dass auf keinem bisher bekannten Foto Hans-Georg Borck das Sturmabzeichen trägt. Unterschrieben ist die Urkunde vom Eichenlaubträger Heinrich Eberbach .

 

Es folgte die 1. von insgesamt 12. Verwundungen. Die Urkunden für das Verwundetenabzeichen in Silber und Gold fehlen leider.

Kurz nach seiner ersten Verwundung wurde Hans-Georg Borck das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen.

Die 11. Panzerdivision kämpfte als Teil der Heeresgruppe Mitte zu diesem Zeitpunkt im Großraum Woronesh.

Bereits am 07.07.1942 erhielt er 2 Sonderabzeichen für das Niederkämpfen von Panzerkampfwagen durch Einzelkämpfer. Leider fehlen diese Urkunden. Hans-Georg Borck hat aufgeschrieben wie es dazu kam:

… Zu den ersten beiden Panzern die vernichtet wurden, muss vorab gesagt werden, dass mit dem Auftreten des russischen T-34 im Frühjahr 1942 der alte deutsche Panzer III und IV zuerst stark unterlegen war. Der T-34 hatte eine so starke Panzerung, dass die Granaten aus den Geschützen unserer Panzer diese nicht durchschlugen, während die Granaten aus den dem T-34 unsere Panzer zerstörten.

An einem Morgen Ende Juni 1942, beim Vormarsch auf Woronesch in der Ukraine, war ein Angriff unserer Kampfgruppe durch diese Panzerüberlegenheit verlustreich zum Stehen gekommen. Es war ein welliges Gelände mit nur Kornfeldern. Vor uns standen 500 entfernt im Abstand von ca. 300 m auf den Höhen 4 russische T34, die jeden Angriff scheitern ließen.

Damals war ich als junger Leutnant Zugführer des gepanzerten Zuges in einem Pionier Bataillon und damit immer mit in der Panzerspitze. Ich erhielt den Auftrag zu versuchen, die feindlichen Panzer anzuschleichen und im Nahkampf zu vernichten.

Ich habe mir damals einen altgedienten Pionier aus meinem Zug mitgenommen und dazu 2 Tellerminen. (T-Minen haben ca. 5 kg Sprengstoff und werden normal an oder im Boden verlegt, und werden normal am oder im Boden verlegt, sie lassen sich aber auch als Sprengkörper mit Zeitzünder verwenden). Wir waren sonst nur mit einer Pistole bewaffnet. Für die T-Minen hatten wir einen Abreißzünder mit einer Verzögerung von 12 Sekunden dabei...

...Wir sind damals in stark gebückter Haltung durch die Kornfelder vorsichtig – es konnte ja Infanterie zur Sicherung eingesetzt sein – soweit vorgegangen, dass wir hinter einem T-34 kamen. Nach dem Anschleichen bis auf 20 m haben wir eine T-Mine scharf gemacht, sind dann in einem Sprung an den Panzer ran, haben die Mine direkt am Turm auf das Heck gelegt, gezündet und sind dann so schnell wie möglich zurück. Nach ca. 40 m haben wir uns auf den Boden geworfen und die Detonation abgewartet. Wir konnten noch beobachten, dass das Turmluk aufgeflogen war und der Turm leicht schief stand, der Motor lief nicht mehr...

...Wir sind dann so schnell wie möglich, immer in gebückter Haltung, durch die Kornfelder zurück zu unseren Linien, wo wir freudig empfangen wurden. Die drei anderen Panzer hatten inzwischen ihre Stellungen verlassen, wobei sich einer in einem Sumpfloch festgefahren hatte. Ihm galt unser nächster Angriff. Diesmal nahm ich zwei jüngere Pioniere aus meinem Zug mit, die sich freiwillig gemeldet hatten und wieder zwei T-Minen. Es sollte alles so laufen wie beim ersten Panzer, nur dass zum Panzer hin ca. 20 m freie Fläche zu überwinden waren. Wir erreichten auch gut den Kornfeldrand. Diesmal sprang nur einer den Panzer an, packte, wie vereinbart, die Mine aufs Heck und sprang zur anderen Seite hin ab. Die erwartete Detonation blieb aber aus. Im Inneren des Panzers hatte man zwar unseren Angriff bemerkt und versuchte die Kanone auf uns zu drehen. Die aber konnte uns nicht erreichen, weil der der Panzer in dem schlammigen Loch seitlich schräg abgesagt war. Wir sind dann alle drei an den Panzer ran und haben die Besatzung aufgefordert sich zu ergeben. Aus dem Turmluk warf man aber als Antwort Handgranaten auf uns. Daraufhin haben wir die zweite T-Mine gezündet, wobei wahrscheinlich die erste durch Zündüberschreitung mit detonierte, denn der Turm des T-34 war ganz angesprengt. Der Panzer brannte sofort und die Munition explodierte. Wir mussten schnell sehen, dass wir wegkamen, auch sollte der Angriff der Kampfgruppe weiter gehen...

Die schweren andauernden Kämpfe spiegeln sich auch in der Verleihung der Nahkampfspange in Bronze wieder, die er am 09.11.1943 für 15 Nahkampftage erhielt.

Am 09.02.1943 wurde bereits der 3 Panzer vernichtet. Wie dies genau geschah, schildert der Vorschlag zur Verleihung des Deutschen Kreuzes in Gold vom 16.02.1943.

… Am 09.02.1943 verteidigte das Bataillon die Sowchose Nr. 3 südwestl.Nowy-Sweet. Im Morgengrauen durchbrach ein feindl. Panzer T 34 im Verlaufe eines Feindangriffes die vordere Linie des ohne jede panzerbrechende Waffe eingesetzten Btl. Als Lt. Borck den Panzer bemerkte und dieser bereits weit in die Sowchose eingedrungen war, entriss er dem ihm zunächst stehenden Pionier eine Hafthohlladung, arbeitete sich ganz allein gegen den Panzer vor, legte trotz des außerordentlich ungünstigen Geländes eine Hafthohlladung an den Panzer und zündete diese, ohne selbst irgendwelche Deckung vor der Detonation zu haben, neben dem Panzer liegend. Der Panzer wurde dadurch vernichtet, der Einbruch in die Stellungen des Btl. und dadurch in die Flanke der Division und die Versorgungslinie einer Kampfgruppe verhindert...

Hans-Georg Borck ergänzt dazu in seinen Aufzeichnungen:

… Persönlich möchte ich da noch hinzusetzen, dass auch dieser Panzer sich kurzzeitig bei der Überwindung eines Misthaufens festgefahren hatte. Das erleichterte mein Herankommen. Als die Hafthohlladung detonierte, war der T-34 schon wieder frei.

Die bisherigen militärischen Leistungen von Hans-Georg Borck führten dazu, dass er am 16.02.1943 vom Bataillon zur Verleihung des Deutschen Kreuzes in Gold vorgeschlagen wurde. Er war zu dem Zeitpunkt als Kompanieführer eingesetzt und gerade einmal 22 Jahre alt.

Er selbst schreibt dazu:

 

… Das Deutsche Kreuz in Gold ist keine höhere Auszeichnungals das Ritterkreuz, es ist deshalb nur schwerer zu bekommen, weil das Überlebenschwerer war. Zu meiner Zeit – also 1942/43 – waren fünf Taten notwendig fürdie man sonst das Eiserne Kreuz 1. Klasse bekommen hätte. Da war die Gefahrgroß, es nicht zu überleben oder vorher auszufallen. Dazu musste man 5x dasGlück haben, dass der jeweilige Vorgesetzte den Einsatz sah, ihn vermerkte undsich die Mühe macht, sich hinzusetzen und alles in einer Vorschlagsliste, gutformuliert aufzuführen. Solch Schriftverkehr war eine ungewohnte und unbeliebteTätigkeit und dazu zeitaufwendig und war notwendig möglichst sofort, abermindestens noch innerhalb des jeweiligen Feldzuges, wo ohnehin schon ein Bergvon Schreibarbeit neben dem eigentlichen Kriegseinsatz zu bewältigen war. Ichbin sicher, dass allein aus dem Grunde manche Einreichung unterblieben ist. Ichhatte Glück.

 

 

In seiner Beurteilung vom 01.03.1943 heißt es unter anderem:

 

Frischer, natürlicher, jungenhafter Mensch; charakterlich unbedingt einwandfrei und zuverlässig; besitzt gesunden Ehrgeiz u. ausgeprägtes Ehrgefühl - Nationalsozialist im Denken und Handeln - vor dem Feind hervorragend bewährt - dienstliche Leistungen gut - geistig beweglich und wendig - guter Truppenoffizier (Komp.Führer) - müßte mitunter gründlicher sein.

 


 

Seine Stärken undSchwächen wie folgt beschrieben:

 

- vor dem Feind außerordentlich schneidig

 

- Draufgänger

 

- führt überlegt

 

- wirkt auf Untergebene beispielhaft

 



Bei den Schwächen wurden folgende Punkte genannt:

 

 -  Reift noch heran

 

 -  Sehr jung

 

 -  Muss noch Erfahrungen sammeln

 

Mit Hinblick auf das junge Alter von Hans-Georg Borck verwundern diese „Schwächen“ nicht.

 

Der Vorschlag zum Deutschen Kreuz in Gold wurde bewilligt und so erhielt Hans-Georg Borck am 11.03.1943 das Deutsche Kreuz in Gold.

Mit Wirkung zum 01.04.1943 wird Hans-Georg Borck vom Bataillon zur vorzugsweisen Beförderung zum Oberleutnant vorgeschlagen und auch genehmigt. Als Grund wird ausgeführt:

… Lt. Borck ist passionierter Soldat, im Gefecht geschickt, selbständig und von mitreißendem Schwung. Im Innendienst sauber und ordentlich. Kenntnisse und Leistungen als Panzerpionier überragend. Seine Stelle als Kp-Führer füllt er hervorragend aus und soll deshalb in dieser Dienststellung weiter verwendet werden. Lt. Borck führt die 3.Kp. seit dem 22.12.1942 ….

… Im Winterfeldzug 1942/43 hat sich Lt. Borck bei der Lösung schwerster Aufgaben durch besondere Tapferkeit hervorgetan und jeden Kampfauftrag mit Umsicht und Schneid durchgeführt…

Seinen 4. Ärmelstreifen erhielt Hans-Georg Borck am 09.11.1943 für die Vernichtung eines Panzers am 29.10.1943.

…. Den 4. Ärmelstreifen bekam ich für einen Einsatz am 29.10.1943 im Raum Kriwoi-Rog. Ich hatte Tage vorher für einen verwundeten Hauptmann ein verstärktes Panzer-Grenadier-Bataillon übernehmen und damit schwere russische Angriffe mit Panzerunterstützung abwehren müssen. Dabei hatten wir eine völlig offene linke Flanke. In diese offene Flanke war in der Nacht zum 29.10. der Russe mit starken Infanterieeinheiten unbemerkt reingestoßen und überraschte uns beim Hellwerden mit gezieltem Feuer in unserem Rücken. Ich war gezwungen, den sofortigen Rückzug hinter eine ca. 500 m zurückliegende Eisenbahnlinie anzuordnen und habe selbst versucht, auf einem Sturmgeschütz liegend, ein weiteres Eindringen des Gegners in unseren Rücken zu verhindern. Dabei bin ich aber beim Überwinden eines Grabens vom Sturmgeschütz gerutscht und stand plötzlich ganz allein da, weit vor den eigenen Linien. Eine Hafthohlladung hatte ich noch bei mir. Ich musste eine völlig freie, ebene, deckungslose Fläche überwinden, um in 800 m ewa den schützenden Bahndamm zu erreichen. Nur einige für diesen Gegend typischen Strohschober unterbrachen die Einförmigkeit der Fläche. Auf einen dieser Strohschober bin ich zugelaufen und traf dort auf einige Soldaten meiner Kampfgruppe, die mir sagten, dass auf der anderen Seite des Schobers ein russischer Panzer stände und sie deshalb nicht zum Bahndamm könnten, weil sie dann dem Panzer ins Schussfeld liefen. Ich bin dann vorsichtig auf die andere Seite des Schobers, habe mich an den Panzer herangeschlichen und die Hafthohlladung angesetzt...

...Leider bin ich dann, vermutlich von einer deutschen Granate, die den Panzer auch bekämpfen wollte und nicht durchgeschlagen war, verwundet worden. Konnte die Hafthohlladung aber noch zünden. Der Panzer jeden falls war außer Gefecht und stand mit offenen Luken da. Ich bin dann allein zurück, wurde dabei beschossen und auch noch mal getroffen, erreichte aber mit letzter Kraft die schützende Bahnlinie. Das war mein letzter Einsatz in Russland...

Bezüglich der Panzernahbekämpfung durch Einzelkämpfer macht Hans-Georg Borck noch ein paar weitere sehr interessante Ausführungen:

… Allgemein kann ich zum Sonderabzeichen für die Vernichtung von feindlichen Panzern im Nahkampf noch sagen, dass in den Jahren 1941, 42 und 43 noch der Grundsatz galt, - wenigstens in unserer Division, der 11. Pz. Division – dass nur der einen Ärmelstreifen bekam, der den Panzer berührt hatte- oder so nah dran war, dass er ihn hätte berühren können. Nur aus der Distanz Feuerschutz geben, genügte nicht. Ich habe erlebt, dass für die Vernichtung eines Panzers drei Soldaten einen Ärmelstreifen bekamen, so bei meinem 2. Panzer.

Ganz allein einen Panzer anzugehen erfordert eine Notlage und damit eine Spontanhandlung (Notwehr). Es gehört immer sehr viel Selbstüberwindung dazu, einen solchen kraftstrotzenden Koloss anzugehen und immer einen klaren Kopf zu behalten. Eine kleine Episode mag das erläutern: Nachdem wir den 1. Panzer vernichtet hatten, fragte ich den alterfahrenden Pionier – es war der Obergefreite Friedrichsen – wie es ihm bei der Aktion ergangen sei und er antwortete: „Mir haben beim Angehen so die Knie gezittert, dass ich kaum laufen konnte. Dann habe ich aber gesehen, dass es Ihnen Hr. Leutnant, genau so ging und ich habe mir gedacht, dass gehört einfach dazu – dann ging es besser.

Wir hatten in den ersten Jahren in Russland nur reine Sprengmution (T-Mine 5 kg, Geballte Ladung 3 kg) um einen Panzer zu bekämpfen, der geschlossene Luken hatte. So war das eine Aufgabe der Pioniere. Bei offener Luke genügte – gut gezielt – schon eine Handgranate. 1942/43 kam mit der Hafthohlladung schon eine wesentliche Erleichterung für eine erfolgreiche Panzernahbekämpfung, die auch für andere Truppenteile geeignet war...

... wir hatten auch mal eine Nebelbirne (den offiziellen Namen weiß ich nicht mehr). Das war ein Glasgefäß in Form und Größe einer Birne mit einer gelblichen Flüssigkeit innen. Das Glas zerbricht beim Auftreffen auf den Panzer, der Inhalt fließt aus, klebt an dem Panzer und erzeugt sofort einen dicken Nebel, der die Sicht nimmt und für die Augen und Atemwege beißend ist. Wir haben diese Waffen nie eingesetzt, auch wegen der Sorge, daß schon beim Transport das Glas zerbrechen kann...

...Erst nach meiner Verwundung am 29.10.43 kam die Panzerfaust und damit eine ganz neue Dimension für den Panzernahkampf und auch für die Vergabe des Ärmelstreifens. Wenn man erst erkannt hatte, wie gering das Sichtfeld einer Panzerbesatzung war, vor allem während der Fahrt, dann gab einem das viel Ruhe und Sicherheit. Der Russe reagierte bald auf den Einsatz der Panzerfaust, besonders dadurch, daß er beim Einsatz einzeln fahrender Panzer und das war meist so, fast nur noch mit aufgessener Infanterie fuhr. Damit ist ein Nahkampf einzeln kaum noch möglich...

Die Vernichtung des 4. Panzers am 23.10.1943 war aber nur ein Teil der Geschehnisse an diesem Tag, die für Borck auch noch weit nach Kriegsende Folgen hatte. Was war passiert?

... Es begann am 29. Okt. 1943. Ich hatte kurze Zeit vorher, als Pionier für einen schwer verwundeten Rittmeister ein verstärktes Panzer-Grenadier-Bataillon (es war das I/111 in der bekannten Gespenster-Division unter General v. Wintersheim) übernehmen müssen und war gleich mit dieser Einheit in schwere Abwehrkämpfe bei Kriwoi-Rog gekommen. Die Hauptkampflinie versprang am linken Flügel meines Bataillons etwa 800 m nach rückwärts, so daß wir eine Ortschaft mit völlig offener linker Flanke zu verteidigen hatten. Es war Verstärkung zugesagt, die am Abend des 28.10. in Form einer weiteren Kompanie eintraf und von mir in der Nacht in die neuen Stellungen am linken Flügel eingewiesen wurde.

Am 29.10. griff der Russe in Regimentsstärke, der an den Tagen vorher stets mit Panzern angegriffen hatte, überraschend in der ersten Morgendämmerung nur mit Infanterie am bedrohten linken Flügel an. Es gelang ihm ohne das Feuer zu eröffnen und ohne Feuer zu bekommen, die Stellungen am linken Flügel zu besetzen und damit ein Schußfeld zu erreichen, daß den gesamten Frontabschnitt beim Hellwerden derart bedrohten, daß eine Katastrophe unausbleiblich schien, zumal kaum jemand den Wechsel bemerkt hatte. Es blieb mir daher nur die Möglichkeit, den sofortigen Rückzug hinter der Bahnlinie unter Zurücklassung von Munition und Gerät anzuordnen, um wenigstens noch das Dämmerlicht beim überwinden einer 600 m freien Fläche auszunutzen.

Ich selbst habe, damit die Gegner abgelenkt wurden, auf einem Sturmgeschütz liegend und mit einem Maschinengewehr bewaffnet, versucht, einen Gegenstoß zu führen. Trotzdem wir nur 8 Schuß Panzer- und nur einen Kasten MG-Munition bei uns hatten, gelang es uns, mit diesem einem Geschütz den Gegner am weiteren Vorstoß und an einem gezielten Feuer zu hindern. Wir hielten aus, bis wir erkannten, daß alle anderen im Schutze des Bahndammes waren, dann wollten wir uns ebenfalls absetzen. Leider bin ich, als das Geschütz in einen Graben fuhr von diesem abgerutscht und stand plötzlich allein knapp 100 m vor den nur wieder vorrückenden Russen.

Auf dem Wege zu den deutschen Linien vernichtete ich noch einen Panzer und wurde selbst schwer verwundet. Stunden später erst habe ich die eigenen Linien erreicht. Das deutsche Sturmgeschütz, so wurde mir später mitgeteilt, ist auf dem Wege zurück abgeschossen worden und soll mit seiner Mannschaft verbrannt sein. Ich bin also von 5Mann, die diesen Gegenstß führten, um die Kameraden zu retten als einziger und schwer verwundet zurückgekommen...

Die direkten Folgen waren die Verleihung zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes und eine schwere Verwundung.

In diesem Einsatz wurde Hans-Georg Borck zum 12. mal verwundet. Es folgte ein langer Aufenthalt in verschiedenen Lazaretten in Kirowograd, Lublin, Dresden, Bad Gastein und Salzburg.

Im September 1944 folgte die Abkommandierung zum Bataillons-Führer-Lehrgang an die Pionier Schule in Dessau Roßlau. Den Lehrgang schloss Hans-Georg Borck im Oktober erfolgreich ab. Interessant auch hier wieder seine Beurteilung:

…Ein überragender Offizier. 23 Jahre alt. 12 Mal verwundet….

… Durch Krieg früh gereifte und abgeschlossene Persönlichkeit. Bescheiden, jedoch bestimmt in seinem Wesen. Macht nichts aus sich. Ist mehr als er denkt.

… Taktisch und technisch gut veranlagt. Nahm nur stückweise am Lehrgang teil. Von unbändigen Drang zur Front erfüllt. Hinterlässt an der Schule einen hervorragenden Eindruck. Panzer – Pionier! Ohne Rücksicht auf seine Jugend zum Führer eines Pi.Btl. geeignet. Vorerst wohl als Erzieher des Jungen Offz.-Nachwuches vorteilhafter zu verwenden...

Bezeichnet sich als kriegsverwendungsfähig ohne es zu sein…

Nach Lehrgangsende ging er als Leiter des Reichsausbildungslagers für vormillitärische Ausbildung der Pioniere nach Divenow.

Mit Wirkung zum 01.03.1945 wurde Hans-Georg Borck zum Hauptmann befördert und kam zum OKH Ersatz-Heer, Inspektion V in Berlin mit Sondereinsatz westlich der Weser bei Hofgeismar. Im April 1945 geriet er in amerikanische Gefangenschaft, aus der er wenig später am 10.11.1945 entlassen wurde.

Die Tat vom 29.10.1943 die zur Verleihung des Ritterkreuzes am 23.12.1943 geführt hat, sowie die schweren Verwundungen (Verlust eines Auges, Hand steif, öfters angeschossen worden und 70% kriegsversehrt) sollte Hans-Georg Borck aber auch nach Kriegsende noch begleiten. So schreibt er,nachdem ihm verweigert wurde an einem Lehrgang an der Verwaltungsakademie teilzunehmen,in einem Brief am 30.12.1954 an sich selbst:

.... Ich bin gezwungen diese Geschichte so ausführlich zu erzählen, denn sie allein war, abgesehen vielleicht davon, daß ich Offizier gewesen bin, der Grund mich mehrfach empfindlich zu strafen. Das war so: 1945 kam ich in den ersten Septembertagen aus amerikanischer Gefangenschaft und fuhr sofort nach Hannover, um an der dortigen technischen Hochschule mein Studium aufzunehmen. Der Betrieb dort war zu der Zeit noch sehr behelfsmäßig, da die Gebäude der Hochschule stark zerstört waren. Ich hatte durch Bekannte auch die Möglichkeit unterzukommen und war daher sehr zuversichtlich bezüglich des Studiumbeginns. Nach 2 oder 3 Tagen wurde ich jedoch zum Sekretariat gerufen und in das Zimmer eines Professors geführt, der mich fragte, ob ich Offizier und Ritterkreuzträger gewesen wäre. Ich bejahte dieses und erhielt daraufhin meine Entlassung von der Hochschule mit etwa folgenden Worten: "Sieh haben dadurch, daß Sie mehr als nur ihre Pflicht getan haben, sich selbst zum Aktivisten gestempelt; ich habe keine Lust, die Existenz der Hochschule durch derartige Subjekte zu gefährden. Sie haben das Gelände der Hochschule binnen 4 Stunden zu verlassen." Auf meine Frage, ob er wisse, wofür ich die Auszeichnunge bekommen hätte, erhielt ich zur Antwort: "Ich habe keine Lust mit Kerlen wie Ihnen zu diskutieren." Mein Versuch an anderen Hoschulen scheiterte ebenfalls. Entweder bemängelte man meine soldatische Vergangenheit, oder in anderen Ländern, in Süddeutschland, kam ich als Mann aus dem Ruhrgebiet nicht unter. Auch, oder gerade, in der Fakultät meines Vaters, der Studienrat ist, war für mich ein Beginn nicht möglich.
In den Jahren danach, als ich an der HTL in Oldenburg untergekommen war, bekam ich an den Hochschulen zur Antwort, daß ich ja schon in der Berufsausbildung stände und nun den vielen, die noch nicht untergekommen wären, den Platz belassen müßte. So bin ich - seit Generationen - der erste, dem die Hochschule versagt blieb. Aber nicht nur die Auszeichnung war es, die für mich sich nachteilig auswirkte, auch meine Kriegsverletztung bzw. das Ausheilen dieser hat man mir übel genommen.
1953 waren meine Kopfschmerzen (ich hatte einen Schädelbasisbruch am 29.10.1943 mitbekommen) so schlimm geworden und mein Kreislauf so schlecht, daß mir von den Ärzten dringend eine Kur angeraten wurde. Diese wurde nach Untersuchung durch den Vertrauensarzt sofort bewilligt. Diesen Kuraufenthalt, der so gute Folgen hatte und die mir ärztlich verordnete Nachkur, die ich mir, obwohl das nicht üblich ist, auf den Urlaub anrechnen ließ, hält man mir heute noch vor, als eine "Vernachlässigung meiner dienstlichen Pflichten"
Jetzt kommt als letztes das Ablehnen meiner weiteren Ausbildung hinzu, ich habe mich seinerzeit vor der Bitte um Beurlaubung mit meinem Chef - Herrn Baurat Knoch - in Verbindung gesetzt. Dieser hat mir auch die Teilnahme gestattet. Ich habe außerdem dem Amtsleiter der Bauverwaltung erklärt, daß ich meinen Urlaub (das hat bisher noch niemand tun brauchen) für die Vollwochen verwenden würde und selbstverständlich auf meine Baustellen weitgehendst Rücksicht nehme. Trotzdem hat man mir das versagt, was jedem anderen der Verwaltung gestattet wird und auf was ministeriellen Erlaß sogar gefördert werden soll. Mit der erfolgreichen Abschlußprüfung von der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie hätte ich das Unrecht von 1945 wieder ausgleichen können. Warum verbietet man mir das? Herr Baurat Knoch antwortete mir darauf, esi st ihm unerklärlich und unverständlich.
Mit ist nach der Ablehnung meines Antrages klar geworden, daß kein Mensch daran interessiert ist, mir das zurückzugeben, was man mir 1945 genommen hat. Es ist heute schon so, daß jeder Dipl.-Ing. auch der jünger ist und erst von der Hochschule kommt, ohne jeden weiteren Leistungsbeweis, höher eingestuft wird und mir zum Vorgesetzten gemacht wird. Warum? Wegen dem 29.10.1943...

Es gibt aber nicht nur schriftliche Aufzeichnungen von oder über Hans-Georg Borck. Es existiert auch ein längeres Tonband Interview das noch weitere Einblicke ist seine Kriegserlebnisse und sein Leben nach Kriegsende gibt. Es dürfte nicht viele Nachlässe geben die das Leben und fen militärischen Werdegang eines Ritterkreuzträgers so gut dokumentieren.

https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn516582

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